Rezensionen: Emmy und die Tänzerin
Rezension von Jessi Swiecik über: Emmy und die Tänzerin
Ich war zu Beginn erstaunt, wie kurz die Kapitel in „Emmy und die Tänzerin“ sind. Es wird oft nur ein kurzer Einblick gegeben, was aber sehr gut zu der Geschichte passt. Wir erfahren abwechselnd kleine Bruchstücke aus der Vergangenheit Emmys, als sie noch Teil einer mehr oder weniger glücklichen Familie war. Im Kontrast dazu steht die Emmy heute, die das Leben nicht mehr auf die Reihe bekommt. Als Leser begleiten wir sie durch den Alltag, der zwar auf den ersten Blick normal erscheint, in Wahrheit aber von aller Augen misstrauisch beäugt wird. So versucht Emmy beispielsweise ihre bereits erwachsenen Töchter von der Schule abzuholen oder einzukaufen. Schnell wird klar, wie andere Leute über sie denken. Manche Kapitel waren in dieser Hinsicht sehr emotional, vor allem, da schnell klar wird, dass die meisten Leute zwar versuchen, damit professionell umzugehen, aber daran scheitern.
Mit dem Thema Demenz habe ich mich vor dem Buch noch nicht genauer beschäftigt. Bestimmt habe ich schon einmal einen Film darüber gesehen, aber einen so sensiblen Einblick in diese Welt der Betroffenen (Emmy und ihr ganzes Umfeld) habe ich zuvor nicht bekommen. Als Leser merkt man, dass Barbara Petermann auch selbst eine emotionale Bindung zu dem Thema hat. In dem Buch gibt es nämlich zudem einige Kapitel aus der Sicht der Pflegekräfte, die auch eine schwere Last zu tragen haben.
Am Anfang des Buches habe ich mich etwas schwergetan, mich in die Geschichte fallen zu lassen. Ich denke, ich musste mich erst einmal an den bildlichen Stil anfreunden und versuchen, das Gewirr am Anfang etwas zu ordnen. Als dann klar wurde, in welchem Zusammenhang die einzelnen Personen stehen, habe ich anfangen können, das Buch zu genießen. Auch die Frage, was es denn mit der Tänzerin zu tun hat, wird am Ende geklärt, was für mich gleichzeitig eine der schönsten Abschnitte des Buches war. Hier wird klar, wie tief verwurzelt die Liebe auch in den Köpfen der demenzkranken Menschen ist. Die Liebe kann alles überwinden, selbst eine solche Krankheit.
Sehr berührend fand ich auch die Geschichte des Ex-Mannes. Hier wird klar, dass nicht jeder eine solche Last tragen kann. Manch einer braucht Zeit, um diese Last aufzuteilen und besser damit klarzukommen. Barbara Petermann hat wahrlich einen sehr tiefen Einblick in das Leben einer demenzkranken Frau geschaffen und dabei hat sie nicht vergessen, auch die Probleme der nahestehenden Personen zu schildern. Wie der Klappentext es schon ganz deutlich sagt: „Es gibt ein wahrhaftiges Verstehen jenseits des Verstehens.“ Diese Worte beschreiben das Buch perfekt.
Fazit: „Emmy und die Tänzerin“ ist ein sehr berührendes und tiefgründiges Buch, das viele Weisheiten beinhaltet! Ich kann das Buch jedem empfehlen, der bereit ist, sich näher mit dem sehr sensiblen Thema „Demenz“ zu beschäftigen!
Rezension von Julia Groß über: Emmy und die Tänzerin.
„Emmy und die Tänzerin“ ist eine warmherzige Geschichte über Familie, das Älterwerden und die Liebe. Der Roman, in dessen Mittelpunkt die an Demenz erkrankte Emmy steht, enthält nichts weniger als ganz viel Leben. Ein Leben, von dem wir vielleicht gehört haben, aber von dem die Meisten wohl nichts wissen oder wissen wollen.
Wenn ihre Gedanken wandern, ist Emmy wieder die erfolgreiche und engagierte Inhaberin einer Buchhandlung, liebende und betrogene Ehefrau, loyale und enttäuschte Freundin, fürsorgliche und verzweifelte Mutter. In Wirklichkeit aber verbringt sie ihre Tage in einem offenen Seniorenheim namens Friedvoll und die gedanklichen Ausflüge in ihre Vergangenheit sind Symptome ihrer Demenzerkrankung. Die eigentliche Gegenwart scheint immer mehr zu verschwinden. Dennoch trifft sie auf ihren täglichen Streifzügen außerhalb der Mauern des Seniorenheims auf ganz verschiedene Menschen und insistiert selbstbewusst auf ein menschliches Miteinander. Begegnungen, die von einem bestechenden, vom jeweiligen Augenblick inspirierten Charme geprägt sind und ihr so einen emotionalen Zugang zu den Menschen gewähren.
Durch die Vieldeutigkeit und den Perspektivenwechsel der Erzählstränge wird eine Atmosphäre pulsierender Rätselhaftigkeit erzeugt. Biografien und Handlungsstränge, die zunächst scheinbar losgelöst nebeneinander zu stehen scheinen, bestenfalls sich eher zufällig berühren, verschmelzen im Laufe des Romans immer mehr zu einer allumfassenden dicht verwobenen Geschichte. Pointiert und dennoch einfühlsam offenbaren sich Freuden, Sorgen, Probleme und zwischenmenschliche Beziehungen. Poetisch, humorvoll, tänzerisch leicht, auf jeden Fall aber sehr berührend wird die Balance aus vorsichtig keimenden Hoffnungen und verkrusteten Lebenslügen ertastet.
Neben der behutsamen Schilderung von Emmys Entwicklung mahnen die realistischen und durchaus kritischen Szenen der Lebensumstände in einem Pflegeheim dringend zu neuen Sichtweisen auf das, was uns am Herzen liegen sollte.
Sonnenblümchen’s Dreams über Barbara Petermann: